München wird VERKAUFT!


Auch zehn Jahre nach dem GBW-Skandal: der Freistaat Bayern verkauft in München viele seiner – also streng genommen unserer – Grundstücke und Immobilien zum Höchstpreis an Investmentfirmen oder die Meistbietenden. Anstatt für soziale Zwecke, bezahlbaren Wohnraum oder kleinteiliges Gewerbe stellt der Freistaat das Gemeineigentum häufig für profitorientierte Akteur*innen zur Verfügung. Das Münchner Forum macht erstmals die Ausmaße der Privatisierung durch den Freistaat in München sichtbar. Klicke dich durch unsere interaktive Karte und finde heraus, ob deine Nachbarschaft mal „uns allen“ gehörte.


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Der Anlass

Zum zehnten Mal jährt sich 2023 der Verkauf von mehr als 33.000 bezahlbaren Wohnungen an ein Konsortium von Investor*innen rund um die Augsburger Patrizia Immobilien AG. Ein folgenschwerer Einschnitt für die Mieter*innen, viele der ehemaligen GBW-Wohnungen wurden inzwischen luxussaniert und verkauft. Wichtig zu wissen: die GBW-Wohnungen gehörten der Bayerischen Landesbank, die wiederum dem Freistaat Bayern gehört.

Das Problem
Die umstrittene Privatisierung der GBW-Wohnungen wird inzwischen als wohnungspolitischer Skandal bezeichnet, ist aber nur ein Beispiel für etwas, das immer wieder passiert: der Freistaat Bayern und die Unternehmen und Gesellschaften, an denen er Mehrheiten hält, verkaufen ihre Grundstücke und Immobilien zum Höchstpreis an Investor*innen. Während die Stadt München seit Längerem zu einer aktiven Bodenpolitik zurückgekehrt ist und Grund und Immobilien hält bzw. aufkauft oder zum Beispiel an Genossenschaften vergibt, scheint der Freistaat Bayern auch nach dem GBW-Skandal häufig an seiner Verkaufsstrategie festzuhalten. Jedes Objekt, das der Freistaat zum Höchstpreis verkauft oder vergeben hat, ist für soziale und gemeinwohlorientierte Zwecke erst einmal verloren. Bezahlbarer Wohnraum verschwindet, Flächen, die für Kultur, Soziales oder kleinteiliges Gewerbe hätten genutzt werden können, werden an Investmentfirmen verkauft. Auf diese Art und Weise sind in München in den letzten Jahrzehnten ganze Straßenzüge und Quartiere verkauft worden. Sei es der Wohnblock in Feldmoching, das Palais in der Brienner Straße, das Haus im Grünen in Hartmannshofen oder der Altbau in Haidhausen – verkauft wurden die unterschiedlichsten Objekte. Über die Folgen für viele Mieter*innen hat die Süddeutsche Zeitung dieses Frühjahr ausführlich berichtet.

Das Projekt
Zeit, mal nachzuschauen, was in München alles weggekommen ist! Erstmals macht das Münchner Forum die Dimension der Privatisierungen in München sichtbar.

Auf unserer interaktiven Karte zeigen wir, was in München in den letzten Jahren und Jahrzehnten, in der Regel zum Höchstpreis, durch den Freistaat und seine Unternehmen verkauft worden ist. Hinter jedem blauen Punkt verbergen sich Informationen zu den verkauften Objekten (in der Regel sind es mehrere bis viele). Bei grau eingefärbten Punkten liegt der Verkauf entweder mindestens 20 Jahre zurück, es wird über einen Verkauf in Zukunft nachgedacht oder es fehlen konkrete Informationen. Aber Achtung: die Karte ist vermutlich nicht vollständig. Zu intransparent geht der Freistaat mit dem heiklen Thema um. Mit einer kleinen Guerilla-Aktion begleiten wir unsere Recherche: an ausgewählten Gewerbeimmobilien, die privatisiert wurden, haben wir auffällige Plakate im Stil eines Immobilienangebots aufgehängt, die zur Aktions-Website führen.

Nicht nur in München
Der Verkauf der GBW-Wohnungen durch die BayernLB im Jahr 2013 hat in ganz Bayern Auswirkungen gehabt. Denn insgesamt handelt es sich um rund 33.000 Wohnungen in den verschiedensten Städten und Gemeinden. Auch andere Verkäufe sind nicht auf München beschränkt.

Zum Beispiel: Das Forsthaus Valepp, Landkreis Miesbach
2022 entschied der Haushaltsausschuss des Landtages, das Forsthaus Valepp, ein geschichtsträchtiges Gebäude tief in den Bergen südlich des Tegernsees, in einer 99-jährigen Erbpacht an Fußballstar Manuel Neuer und den Edel-Gastronom Johannes Rabl zu vergeben. Das Gebäude der Staatsforsten, das König Ludwig I. 1841 als Forst- und Jagdhaus errichten ließ, war bis vor einigen Jahren eine einfache Einkehr für Wandernde, in den letzten Jahren stand es leer und verkam zusehends. Vor der Vergabe wurde auch der Verein Kulturerbe Bayern genannt, der allerdings nicht sicher war, ob er Erwerb und Sanierung stemmen kann.

Nun werden Neuer und Rabl das Forsthaus bewirtschaften. Kritiker*innen monieren, die Staatsforsten (eine Anstalt des öff. Rechts im Eigentum des Freistaats) hätten sich des denkmalgeschützten Gebäudes entledigen wollen und es deshalb für einen hohen Preis weggegeben. Sie befürchten eine weitere Luxus-Aufwertung der Bergwelt[1], wie sie andernorts in der Region zu beobachten ist. Zwar betonen Neuer und Rabl, das neue Gasthaus sollen sich alle leisten können und auch der Landtag hat bei der Vergabe Bedingungen gestellt (ob das stimmt, wissen wir nach der Eröffnung im Spätsommer 2024)[2], mit der Stiftung Kulturerbe Bayern wäre sicherlich ein inklusiverer Ort entstanden. Immerhin: Neuer kündigte an, die NS-Vergangenheit des Hauses aufarbeiten zu lassen. In das Gebäude wurden während der NS-Zeit Häftlinge des KZ Dachau verschleppt[3].


[1] BR24 (2022)
[2] T-online (2023)
[3] T-online (2022)


Der Hintergrund

Muss der Freistaat zum Höchstpreis verkaufen?
Das aktuelle Bayerische Haushaltsrecht schreibt vor, dass der Freistaat Immobilien nicht unter dem auf dem freien Markt erzielbaren Verkehrswert abgeben darf. In Art. 63 BayHO heißt es:

„(3) Vermögensgegenstände dürfen nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden.“

Und in Art. 81 der Bayerischen Verfassung steht:

„Das Grundstockvermögen des Staates darf in seinem Wertbestand nur auf Grund eines Gesetzes verringert werden. Der Erlös aus der Veräußerung von Bestandteilen des Grundstockvermögens ist zu Neuerwerbungen für dieses Vermögen zu verwenden.“

Das sog. Grundstockvermögen des Freistaats, dazu gehören auch die Werte seiner Immobilien, darf also nicht kleiner werden. Außer ein Gesetz bestimmt Ausnahmen. Und so eine gab es in Bayern schon mal: zwischen 1996 und 2004 gab es in Bayern ein „Verbilligungsgesetz“, das es dem Freistaat erlaubte, Immobilien und Grundstücke, z.B. an Kommunen oder gemeinnützige Organisationen, günstiger abzugeben.[4] Das Gesetz wurde aber nicht verlängert.

Es geht auch anders
Dass es auch anders geht, zeigt ein Blick ins benachbarte Baden-Württemberg. Dort gibt es seit einigen Jahren die Möglichkeit einer „Verbilligung“ der Grundstücke des Landes für Akteur*innen, die z.B. bezahlbaren Wohnraum schaffen.[5]

Fazit
Das Bayerische Haushaltsrecht ließe sich verändern. Wenn der Freistaat Bayern eine aktive Bodenpolitik betreiben will und dafür sorgen will, dass auf seinen Grundstücken bezahlbarer Wohnraum entsteht, kann er Gesetze anpassen. Denn über die Bayerische Haushaltsordnung entscheidet der Landtag.


[4] Bayerischer Landtag (2021), Drucksache 18/18929
[5] GABI (2019), S. 254, Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg (2023)

Junges Forum im
Münchner Forum, Diskussionsforum für Entwicklungsfragen e.V.
Herbst 2023


Mach Mit!

Du weißt von weiteren Objekten in München, die der Freistaat Bayern oder eines der Unternehmen, an denen er mehrheitlich beteiligt ist (wie z.B. die Staatsforsten, die Seenschifffahrt, die BayernLB oder der Münchner Flughafen) an Investor*innen verkauft hat? Oder du hast einen Fehler in der Karte gefunden?

Schreib uns an: junges-forum@muenchner-forum.de

Danksagungen

Für die inhaltliche Unterstützung bedanken wir uns sehr herzlich bei:

#ausspekuliert
Deutscher Mieterbund Bayern
Christian Schwarzenberger
Julia Worch
Michaela Schmatz
AK „Wer beherrscht die Stadt?“ im Münchner Forum

Quellen

Für unsere interaktive Karte – die spezifische Quelle zu den jeweiligen Punkten ist in der Karte vermerkt

Bestandsliste der GBW-Adressen von 2009
Bestandsliste der GBW-Adressen für ganz Bayern
Exposés der IMBY
Presseberichte
Landtag, Drucksache 18/28381, S. 21
Antwort Landtagsanfrage, 01.02.2023, Zeichen: StMB-38-4049-4-99-2; S. 4
Antwort vom 03.08.2016 auf Stadtratsanfrage Nr. 14-20/F00588

Außerdem:

Expert*innengespräche

Bayerischer Landtag (2021): Drucksache 18/18929 – Gesetzentwurf. Quelle: https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP18/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000011500/0000011818.pdf. Abruf: 17.09.2023.

BR24 (2022): Landtag hat entschieden: Neuer bekommt die Valepp. Quelle: https://www.br.de/nachrichten/bayern/landtag-hat-entschieden-neuer-bekommt-die-valepp,TC1aqWz. Abruf: 17.09.2023.

Land Baden-Würrtemberg (2019): Gemeinsames Amtsblatt des Landes Baden-Württemberg (GABI), Nr. 12. Quelle: https://www.landesrecht-bw.de/jportal/portal/t/66u/page/bsbawueprod.psml?doc.hl=1&doc.id=VB-BW-GABl2019452&documentnumber=3&numberofresults=1349&doctyp=Verkuendungsblatt%3Abw-gabl&showdoccase=1&doc.part=D&paramfromHL=true#focuspoint. Abruf: 17.09.2023.  

Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg (2023): Das Ministerium als Bauherr. Quelle: https://fm.baden-wuerttemberg.de/de/bauen-beteiligungen/bau-und-immobilien/staatliche-vermoegens-und-hochbauverwaltung. Abruf: 17.09.2023.

T-online (2022): Manuel Neuer will Nazi-Historie in Valepp aufklären. Quelle: https://www.t-online.de/region/muenchen/id_100098708/manuel-neuer-was-hat-es-mit-nazi-historie-um-das-forsthaus-valepp-auf-sich-.html. Abruf: 17.09.2023.

T-online (2023): Bayern-Star Manuel Neuer: das kostet eine Übernachtung bei ihm. Quelle: https://www.t-online.de/region/muenchen/id_100243304/tegernsee-kann-sich-jeder-eine-nacht-in-manuel-neuers-gasthof-leisten-.html. Abruf: 17.09.2023.

Bildquellen:

Bild des Forsthauses Valepp: https://de.wikipedia.org/wiki/Valepp#/media/Datei:Schliersee_Forsthaus_Valepp.jpg

„Sale“-Icon: pixabay

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